„Die Grünen im Bundestag entdecken immer mehr Gemeinsamkeiten mit Positionen der katholischen Kirche“, liest man heute in den Zeitungen. Na, das überrascht ein wenig, war doch die grüne Bewegung bisher eher ein selten gesehener Gast in katholischen Kirchen. Was könnte gemeint sein? Hm, vielleicht, dass man in der katholischen Kirche nichts wird ohne den Papst und bei den Grünen nichts ohne Joschka Fischer?
De facto – und das ist eine Gemeinsamkeit – hat der gesellschaftliche Einfluß von Grünen und Kirche rapide abgenommen. Realpolitik verdrängt Idealismus. Die Gemeinsamkeiten erschöpfen sich eher im gemeinsamen Wunschdenken und frommen Anrufungen. „Das Verhältnis zur Kirchenleitung hat sich in den vergangenen Jahren sehr verbessert“ sagte die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt heute beim Katholikentag in Ulm. Unter anderem in den Bereichen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung gebe es große Übereinstimmungen. Aha.
Wirklich eine Überraschung? Eher doch nicht. Die Grünen und die Kirche verbindet das Prinzip „Hoffnung“: Und es wird gut werden. Gleichzeitig sind beide Bewegungen nicht nur in bester Harmonie mit dem Staat, sondern auch um die Antwort verlegen, wie die „kapitalistische Revolution“ auf dem Planeten eingeschränkt werden könnte. Neben dem militanten Extremismus ist es eben auch der alltägliche Kapitalismus, der demokratische Errungenschaften unterwandert. Was sagen Gläubige dazu?
Die Frage ist, was sich heute angesichts des aktuellen Weltzustandes offenbart. Die Frage nach der Gerechtigkeit verbindet allerdings alle Gläubigen, Christen und Muslime. Notwendig ist eine klare Grenzziehung gegenüber irrationaler, teilweise sich esoterisch verklärender Wirtschaftsmacht. Der Kapitalismus darf nicht Religion, die Bank nicht Gott werden. Wie würdigen wir Gläubige eine Wirtschaftspolitik, die heute längst mehr Opfer verursacht als die alten Kriege? Sagen wir es symbolisch: Es ist nicht mehr die Zeit der wundersamen Brotvermehrung, wohl aber der wundersamen „Geldvermehrung“.
Aus muslimischer Sicht ist es – wie könnte es anders sein – der Koran, der hier klare Worte spricht. Im Koran ist es als ein kategorischer Imperativ ausgesprochen: „Allah hat den Wucher verboten und den Handel erlaubt“ (2.275). Die ökonomische Lehre des Islam – zwischen Akzeptanz des Eigentums und dem Verbot der Zinsnahme – ist, viel mehr übrigens als der antiquierte politische Islam, die eigentliche Stimulanz für die europäische Intelligenz. Sie ist auch die eigentliche Herausforderung.