„Schon zu Zeiten, als Deutschland noch geteilt war, waren Mitarbeiter der Staatssicherheit und des BND in der irakischen Hauptstadt aktiv. Dokumente, die nach dem Regimewechsel in Bagdad gefunden wurden, belegen, daß Stasi-Angehörige maßgeblich am Aufbau des irakischen Geheimdienstes beteiligt waren. Der westdeutsche Dienst sei stärker auf wirtschaftlichem Gebiet tätig gewesen, wird berichtet.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
„Hurra, ein Feind“ – so könnte man die politischen Emotionen bei der Begegnung von Angela Merkel und George Bush zusammenfassen. Oder, wie Rufin die Frage grundsätzlicher stellt: Braucht die demokratische Kultur eben einen Feind? Das neue Feindbild Iran hat über die hintergründige Dramatik der inneren Konflikte der Industrienationen einerseits und den Wirtschaftskrieg zwischen der alten und der Neuen Welt noch einmal hinweg geholfen. Teheran hatte diese rhetorischen Möglichkeiten, verursacht durch einen global vermarkteten Lauschangriff auf seine altbekannte, stumpfe Steinzeitdialektik, provoziert. Weltweit denkt man nun wieder sorgenvoll an die Formel von Clausewitz, von der ewigen Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Eine Hand voll Schurkenstaaten garantieren auch innerhalb der neuen Weltinnenpolitik die gewohnte Dynamik und Sprache des Freund-Feind Denkens.
Der Krieg zwischen Staaten und das entsprechende Völkerrecht gehört der Vergangenheit an. Wir erkennen neue Akteure hinter den Weltkulissen, zum Beispiel Rüstungskonzerne, Ölmultis und Energiekonglomerate, die in der Lage sind, Krisen nicht nur zu schüren, sondern auch auszunutzen. Die Strategie des Regime-change wird immer auch von der Strategie des Management-change in den Schlüsselindustrien begleitet. Signifikant ist dabei auch die neue geopolitische Rolle der Dienste: sie dienen nicht nur ihren Staaten, sondern auch ihren Industrieunternehmen. Hier herrschen komplexe Interessenlagen, vor allem wenn an sich befreundete Dienste nebenbei auch für „Siemens“, „Total“, „Boeing“ oder „Airbus“ agieren und sie sich dann auch gegenseitig „Feind“ sind. Die alte deutsch-amerikanische Freundschaft als eine politische Idee hat auch durch die Euro-Dollar-Schlacht einiges an Romantik verloren.
Verfassungsschutz funktioniert in Deutschland noch immer nach der Logik der alten ideologischen Herausforderungen antiquierter politischer Konfrontation. Der Staat, trotz seiner strukturellen und technischen Übermacht und des evidenten Mangels an (politisch)ernstzunehmenden „Feinden“, muss sich täglich und fortlaufend als gefährdetes, hochverletzliches Gebilde darstellen. Das Verfassungsverständnis befindet sich ebenso in einem schleichenden Wandel. Es droht der „autoritäre“ Kapitalismus. Die im Grundgesetz gebotene „wirtschaftspolitische“ und „religiös-weltanschauliche“ Neutralität, so zumindest viele Kritiker, hat der Staat in den letzten Jahren bereits zum eindeutigen Vorteil des globalen Kapitalismus und zum eindeutigen Nachteil des Islam verlassen.
Besorgniserregend ist auch der Klimawandel der politischen Kultur. Alle Formen der Überwachung und Bekämpfung des Andersdenkenden sind heute selbst zum Geschäft geworden. Wir erkennen heute bereits einen neuartigen, privaten Verfassungsschutz und private Geheimdienste als Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die Kontrolle der innen- und außenpolitischen Aktivitäten der Großunternehmen, wie im Falle der internationalen Organisation Transparency, übernimmt die Wirtschaft einfach selbst. Die „private“ Überwachung der Korruption und des Lobbyismus in Berlin wird von den Wirtschaftsunternehmen einfach selbst finanziert und in seiner politischen und thematischen Brisanz damit bereits im Vorfeld „neutralisiert“.