„The recent rise in corporate bankruptcies in America may well be a sign of much worse to come. CAPITALISM without bankruptcy, it is said, is like Christianity without hell.“ (The Economist, Onlineartikel 27. März „Waiting for Armageddon“)
Wir leben in einer Zeit, in der es nicht einfach ist, durch die Flut von Informationen hindurchzublicken. Aber es gibt einfache Unterscheidungen, die immer wieder durch das Dickicht der Meinungen helfen. Täuschen wir uns nicht, um Glaubensfragen geht es heute immer. Im alles dominierenden ökonomischen Feld hat man es besonders schnell mit „Glaubenskriegen“ zu tun und man kann heute die Gleichung aufstellen, dass ein moderner Atheismus mit einem tiefen Glauben an die Banken gut zusammengeht. Im Prozess der Säkularisierung wurde ja der Glaube an Gott durch den Glauben an die Nation und neuerdings durch den Glauben an die Bank ersetzt. Die Bank ist der geheimnisvolle Schöpfer des unerschöpflichen Papiergelds.
Beim Überfliegen des (ausnahmsweise trotz des Themas Islam nicht in „schwarz“ erscheinenden) SPIEGEL-Specials entdeckt man die – in völlig unkritischer Zusammenarbeit mit Diensten – entstandenen alt-bekannten Sensationen, Verschwörungstheorien und Vorstellungen, bis hin zur endlosen Kopftuchdebatte – aber natürlich nicht ein Hinweis, warum der Islam in dieser Zeit wirklich relevant sein könnte. Die Reflexion auf die angeblich „heiße“ politische Seite der Muslime ist dabei im Grunde – um einen Begriff aus der Welt der Lebensmittel zu nehmen – über dem Verfallsdatum. Das wirklich spannende Thema des Islam ist sein Verhältnis zur Ökonomie.
Der neue neoliberale Kurs des SPIEGELS und die sich daraus ergebenden neuen Feindschaften wurden oft besungen. Der elitäre Führungszirkel des SPIEGELS versucht, den beklagten geistigen Wertezerfall mit einer autoritären Abgrenzung gegenüber Links und Rechts, den Muslimen und der „demokratieunfähigen“, aber leider stetig wachsenden Unterschicht zu überstehen. Die moralische Mission des SPIEGELS dreht sich um die Idee eines geläuterten, gnädigen und „guten“ Kapitalismus. Der materielle Wertezerfall dagegen wird überspielt und als eine Art moderner „Betriebsunfall“ angesehen. Ein besonders naiver und gleichzeitig bezeichnender „Alles-wird-gut“-Artikel (Versilbert den Goldschatz!) erschien heute auf SPIEGEL-Online.
Der Autor empfiehlt als „Lösung“ der Finanzkrise der Bundesbank den Verkauf der Goldreserven und folgert:
„Viel könnte eine Zentralbank bei einer Währungskrise ohnehin nicht ausrichten, wenn sie massenweise Goldklumpen auf den Markt werfen würde. Zwischen Gold und Geld besteht im Zeitalter der Papierwährungen kein Zusammenhang mehr. Modernes Geld ist durch nichts anderes gedeckt als durch die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft, in der es umläuft. Einzige Folge der Intervention wäre, dass Zahnarztpraxen billiger an Nachschubmaterial für Füllungen kämen.“
Auf telepolis kann man eine etwas weniger schlichte Sicht der Dinge erkennen. Der Zerfall der „inflationären“ Währungen, die die lästige Bindung an das reale Gold überwunden haben, schreitet nämlich unaufhaltsam voran:
„Die steigende Inflation ist auch ein Ergebnis davon, dass die EZB nicht ihrer Aufgabe nachkommt. Nähme Trichet seine Worte vom vergangenen Mittwoch ernst, dann müsste die EZB nun endlich auf die Inflationsbremse treten und den Leitzins anheben, um noch etwas Glaubwürdigkeit zu retten. Sonst wird die Inflation die Lohnzuwächse wieder auffressen, die vielen Arbeitnehmern in diesem Jahr erstmals wieder einen realen Lohnzuwachs bescheren sollten. Oder werden sich Trichets Worte nur in einen Aufruf an die Arbeitnehmer verwandeln, erneut über die Lohnzurückhaltung mit einem ‚Sozialismus für Reiche‘ die Zeche zu zahlen.“