Liebe Brüder und Schwestern im Islam, Liebe Freunde der IZ,
As-salaamu ´alaikum,
Im Namen der Redaktion begrüße ich Sie recht herzlich zu unserem heutigen Iftar in Bonn.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, ein paar Worte zum aktuellen Stand unseres Medienprojektes zu sagen. Es bedarf keiner großen Worte, um die Wichtigkeit dieses Mediums herauszuheben, ist doch die IZ zu einer der wichtigsten Brücken geworden – einer Brücke für die Muslime untereinander, aber auch für den Austausch der Muslime mit dieser Gesellschaft. In Zeiten alltäglicher Berichterstattung über den Islam und in Zeiten krimineller Exzesse, die mit dem Islam in Verbindung gebracht werden, ist diese unsere islamische Zeitung wichtiger denn je. Die Islamische Zeitung hat in den letzten Jahren stetig versucht , wenn auch mit sprichwörtlich bescheidenen Mitteln, auf höchstmöglichem Niveau die Situation der Muslime in Deutschland dar- und vorzustellen.
Hierbei sind viele Positionen der IZ absolut, beinahe traditionell so eindeutig wie allgemein bekannt – man denke nur an unsere kategorische, kompromisslose Ablehnung von Selbstmordattentaten und Terrorismus. Die IZ arbeitet und plädiert immer wieder für einen Islam der Gemeinschaft, für Muslime in Gemeinschaft, und es überrascht uns nicht, dass muslimische Terroristen gerade diese muslimische Gemeinschaft eher meiden. Ein Muslim, der korrekt islamisch ausgebildet ist, wird auch wohl eher seine Nachbarn zum Islam einladen, als sie mit terroristischer und nihilistischer Gleichgültigkeit auslöschen zu wollen.
Es sind nun beinahe 100 Ausgaben, in der die IZ die Pressefreiheit in diesem Land nutzt – nebenbei bemerkt eine Situation, wie sie in den meisten islamischen Ländern kaum üblich ist. Hierbei versuchen wir auch, wie jedes Medium, Einfluss zu nehmen. Es sind vor allem drei Verortungen oder Grundüberzeugungen der Islamischen Zeitung, die ich hier nennen will:
1. Die IZ versucht, einen Mittelweg zwischen den Extremen, zwischen blindem Fanatismus und beliebiger Esoterik vorzudenken. Man denke nur an unsere wiederkehrende Darstellung des Lebens unseres Propheten Muhammad, Allah segne ihn und gebe ihm Frieden.
2. Die IZ versucht die Denkmethodik des Islam zu stärken, also seine rechtlichen und offenbarten Grundlagen zu vermitteln. Nur so vermittelt sich auch ein tieferes Verständnis der Säulen des Islam, zum Beispiel der Zakat, oder aber auch der Nachweis, dass es wohl muslimische Terroristen, aber keinen „islamischen Terrorismus“ gibt und geben kann.
3. Die IZ versucht, den Islam und die Muslime Europas nicht nur als das Fremde, sondern auch als Teil des europäischen Erbes zu verstehen. Mehr als nur Beiträge zum Feuillleton sind insofern unsere Reflexionen über die Annäherungen eines Goethe oder Rilke zum Islam, oder aber unsere Hintergrundberichte über die europäischen Verortungen des Islam in Bosnien oder Al-Andalus.
Natürlich unterstützen wir den Versuch, dass wir Muslime die Rolle unseres Islam in Europa definieren und vor allem auch positiv besetzen. Wir Muslime müssen gemeinsam den Status der Immigration überwinden und ein positiver und konstruktiver Bestandteil der Gesellschaften Europas werden. Wir Muslime können nur gemeinsam das Recht einfordern, entsprechend unserer Glaubensüberzeugungen auch künftig in Europa zu leben. Gerade dieses Recht ist heute durch eine sich als säkular verstehende Ideologie in vielen Bereichen längst gefährdet. Hinzu kommt eine sich im so genannten Kampf gegen den Islamismus sich als „politisch korrekt“ versteckende, im Kern aber rassisistische und rechtsradikale Haltung in Teilen der Gesellschaft.
Als ein Kommunikationsprojekt, dass im Prinzip beinahe jeden Tag mit Nicht-Muslimen im Austausch steht, können wir eine gute Nachricht und eine Schlechte vermelden: Nie war das Interesse der deutschen Bevölkerung am Islam so groß, gleichzeitig spürt man aber auch eine tiefe Verunsicherung über die künftige Rolle der Muslime und des Islam in Europa. Den Satz „Die Muslime müssen Deutschland verlassen, wenn sie sich nicht anpassen wollen“ hört man nun des öfteren aus der Mitte der Gesellschaft. Hinzu kommt die mangelnde Chancengleicheit in der öffentlichen Auseinandersetzung über den Islam; man denke nur zum Beispiel an den Umstand, dass kein Muslim in den Fernsehräten sitzen darf.
Es ist müßig, darüber zu jammern, dass wir Muslime bis heute keinen Organisationsgrad haben, der zur einheitlichen Darstellung unserer Position in der Öffentlichkeit führen könnte. Hierzu müssten wir jedoch auch endlich die antiquierte und rückwärtsgewandte Einteilung in türkische, arabische oder deutsche Organisationen aufgeben. Der interne Austausch zwischen uns Muslimen selbst und unseren Gelehrten will in Deutschland ebenfalls nicht vorankommen. Vielen Organisationen geht es nur um die eigene „Ermächtigung“ und weniger um das Gemeinwohl der Muslime; man denke nur an den eklatanten Mangel an gemeinützigen Stiftungen. Sollten wir weiterhun nicht in der Lage sein, unsere Position eigenständig und unabhängig, vor allem aber gemeinsam zu definieren, so werden dies eben andere für uns tun.
Es ist definitiv keine Frage, dass wir Muslime noch stärker zwischen Kultur und Islam trennen müssen. Nicht alles was „türkisch“ oder „arabisch“ ist oder in der Türkei oder Marokko üblich war, hat etwas mit dem Islam zu tun. Es wird auch Zeit, das Missverständnis aufzuklären, unser Glaube drehe sich im Kern um Kopftücher oder Kleiderordnungen. Im Zentrum dreht sich der Islam um die Rolle und das Schicksal des modernen Menschen in der Schöpfung. Der Qur'an, als lebendige Offenbarung, zielt auf den Intellekt, nicht auf die Triebe des Menschen. Wie sonst könnte der Islam eine stetig wachsende Lebenspraxis sein und bleiben?
Gründe für ein tiefes Interesse am Islam gibt es viele: Es ist heute nicht abzuweisen, dass der Qur'an, gerade wenn es um die ökonomische Realität dieser Zeit geht, sich für immer mehr Menschen „offenbart“. Zu erklären, warum dies so ist, warum diese Offenbarung eben relevant ist, gehört zu den Herausforderungen dieser Zeitung und ihrer Macher. Wenn man heute – sozusagen gebetsmühlenartig, von der europäischen Aufklärung spricht, dann muss man angesichts von globalem Börsen- und Schuldenwahn anmerken, dass diese Aufklärung im ökonomischen Feld nicht stattgefunden hat. Es gehört daher zur Ironie der Geschichte, dass wir Muslime genau diese Aufklärung über – wie Benjamin es formuliert – den „Kapitalismus als Religion“ einfordern. Die Offenbarung ist in dieser Hinsicht völlig eindeutig, und die Ayat 275 in der Sura Al-Baqara „Allah hat den Handel erlaubt und den Wucher verboten“ ein Schlüsselsatz der Offenbarung. Es wäre gleichzeitig natürlich viel zu einfach, den Islam, der seit Jahrhunderten die Völker aus allen Kontinenten in Mekka zusammenführt, nur als negativ und „globalisierungskritisch“ zu bestimmen.
Vielmehr ist es an uns, auch positive Angebote an die Gesellschaft zu machen. Was ist denn unser Beitrag an die Gesellschaft? Den positiven Beitrag konkret zu benennen ist eine der Herausforderungen dieser Zeitung. Wir werden insofern noch stärker über all diese Beiträge der islamischen Welt, vom Stiftungswesen bis zum Markplatz, berichten.
Die Islamische Zeitung ist heute die Kommunikationsplattform in Deutschland für das Gespräch mit den Muslimen. In der Reihe „Begegnungen“ suchen wir das Gespräch mit führenden Köpfen der nicht-muslimischen Gesellschaft über deren Sicht über den Islam und die Muslime. Jedes dieser Gespräche hat uns Spaß gemacht. Dass wir wenig von einer Dialektik Gut-Böse oder dem angeblichen Kampf der Kulturen halten, zeigen unsere Exkursionen nach Weimar, der Stadt Schillers und Goethes, an denen viele junge Muslime teilgenommen haben.
Wer macht heute eigentlich die IZ? Wir freuen uns sehr, dass in unserem Redaktionsteam die Zahl der freien MitarbeiterInnen stetig wächst. Für die IZ schreiben inzwischen dutzende Muslime aus allen Gemeinschaften. Die Vielfalt der islamischen Lebenserfahrungen kann auch nur so einen echten Ausdruck finden.
Wirtschaftlich ist die Herstellung der Zeitung natürlich eine schwierige Gratwanderung. Nebenbei erwähnt ist diese Zeitung auch nur dauerhaft lebensfähig, wenn die Abonnentenzahl stark wächst. Letztendlich ist die Islamische Zeitung ein kleines und ungewöhnliches Medienprojekt, wenn auch mit großer Wirkung. Wir freuen uns insbesondere, dass rund ein Viertel unserer Abonnenten Nicht-Muslime sind. Auch dieses zeigt, dass die Chance für eine kommunizierende Gesellschaft über das Phänomen Islam nach wie vor da ist.
Bleibt mir also nur, mich für den Zuspruch aus Ihren Reihen zu bedanken und uns allen einen gesegneten weiteren Ramadan zu wünschen.