Armer Günther Grass. Seine Einlassungen in der „Zeit“ über den Zustand der Demokratie verhallen beinahe ungehört. Trotz Blechtrommel. „Das Primat der Politik verloren, die Souveränität der Parlamentarier in Frage gestellt, Demokratie in Auflösung.“ Eigentlich grass, aber wer hört schon auf Dichter?
Wir stellen fest: Das alte Prinzip der Verantwortung gilt für den Kapitalismus nicht. In der Debatte über das Unwesen des Kapitalismus fällt kaum ein Wort des Bedauerns über die Opfer jenseits des Limes. Dort wird nach wie vor im Akkord gestorben. In der säkularen Welt scheint der Kapitalismus noch immer – paradoxerweise – gottgegeben. Alternativlos.
„Den Terrorismus“, so schreibt Sloterdijk, „als eine tödliche Gefahr für die gesamte freie Welt darzustellen, ist eine rhetorische Figur, mit der sich Innenminister und Erregungsmakler über die Rampe lehnen“. Paul Berman spricht gar von einem neuen Totalitarismus. Dabei verhelfen die Terroristen nur dem globalen Ausnahmezustand zum Recht. Es ist zweifellos der autoritäre Kapitalismus, der die Demokratie nun wirklich in Frage stellt.
Wir beobachten heute die hilflosen Versuche, dem ökonomischen System Moral zu predigen (Ratzinger)und ein wenig an den nationalen Rändern zu reformieren (Müntefering). „Das Prinzip der Menschenrechte ist populär, weil kostenlos“ hat Peter Sloterdijk emotionslos die moderne Trennung von Mensch, Ökonomie und Politik beschrieben. Das Primat der Ökonomie macht Politik zum Theater. Der Einzelne bleibt innerlich vom System getrennt und – neu in der Geschichte – von jeder echten Verantwortung enthoben.
Die Verschwörungstheorie eines mit den Hufen scharrenden Islamismus, der angeblich über politische Kraft verfügt, gehört zum Klima der Dialektik gegen den ganzen Islam. Einige Journalisten sorgen für die angebliche Relevanz („Agitation mit Tatsachen“) des politischen Islam. Unter diesem öffentlichen Druck soll das islamische Bekenntnis, dass wir alle Muslime teilen und wie es im Qur’an beschrieben ist, für alle hörbar relativiert werden. Die Logik ist klar: Ohne geistige Form keine sichtbare Substanz. Der Islam soll durch eine unsichtbare Hand in Esoterik transformiert werden.
Wichtig ist den ideologischen Gegnern des Islam die Auflösung der Trennlinie zwischen klassischem Wissen als traditioneller Lebenspraxis und Modernismus als ideologischer Parteiung. Aus Sicht der säkularen Ideologen ist dies ein und dasselbe. Über Jahrhunderte erkannten die Muslime aber ihr Maß und die Grenzen ihrer Macht. Wer orthodox glaubt muss ja in Deutschland immer auf der Hut sein. Unter dem „modernen“ Mikroskop wird auch das berühmte Bekenntnis Maulana Rumis „Ich bin Sklave Allahs“ zum islamistischen und gefährlichen Traktat. Keine Frage, die Mevlevi Tariqat und ihr zeitloser Wissensschatz würden heute wohl im Verfassungsschutzbericht erscheinen.