Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Macht und Geld

Ein Forscherteam unter der Leitung von Kathleen D. Vohs vom Institut für Marketing der Carlson School of Management der Universität von Minnesota geht im Wissenschaftsmagazin „Science“ der grundsätzlichen Frage nach der sozialen Dimension von Geld nach:

„Das Konzept Unabhängigkeit erklärt, warum die Menschen Geld gleichzeitig als größtes Gut und größtes Übel betrachten. Als sich Länder und Kulturen entwickelten, könnte Geld den Leuten erlaubt haben, Waren und Dienstleistungen zu erwerben, die ihnen das Erreichen hochgehaltener Güter gestattete, was gleichzeitig aber auch die Abhängigkeit von Freunden und Familie minderte. So gesehen, förderte Geld die Individualität, reduzierte aber auch die Beziehungen zur Gemeinschaft – ein Effekt, der sich heute noch in dem widerspiegelt, wie die Menschen das Geld beurteilen.“

Die großen Kapitalmengen schaffen inzwischen unglaubliche Anhäufungen potentieller Macht. Waren 1982 die hundert reichsten Europäer im Durchschnitt noch jeweils 230 Millionen Dollar schwer, so betrug ihr durchschnittliches Vermögen im Jahre 2005 das Zehnfache, nämlich 2,6 Milliarden Dollar. Man muss natürlich sehr naiv sein, wenn man etwa glaubt, diese Geldmengen wirkten sich nicht direkt und indirekt im politischen Feld aus. Dass die Macht des Geldes neben der Verfassung auch die Unabhängigkeit eines Landes gefährden kann, zeigen immer häufiger verschiedene Beiträge.

Den Tenor dieser neuen modernen Machtgleichung formuliert Hans-Jürgen Krysmanski in der jungen Welt so:

„Die Geldelite befreit große Geldmengen aus der Warenform und wandelt sie in politische Macht um. Die monetäre Aristokratie wird zu einer Gefahr für die Demokratie.“

Nur, möchte man hinzufügen, – im Gegensatz zur Terrorismusbekämpfung, die als wichtigste Überlebens- und Schicksalsfrage unserer Demokratien präsentiert wird, gibt es hier kaum ähnliche Gegenwehr und auch keine publikumswirksame „Angstdebatte“.

Der Mythos der Meritokratie, also der Leistungsgesellschaft, verblasst, schrieb Claus Leggewie in der Frankfurter Rundschau vom 3. Juni 2003: „Superreichtum wird zu einer Gefahr für die Demokratie.“ Schon zu Zeiten des US-Präsidenten William Clinton konstatierte der Kolumnist und Buchautor William Pfaff für die USA in der International Herald Tribune vom 6.Dezember 1999 die politische Zeitenwende:

»Der wichtigste Wandel unserer Zeit ist die Aufwertung der Rolle des Geldes bei der Bestimmung der Frage, wie Amerika regiert wird. Diese Rolle war niemals gering, aber sie gewann eine neue Dimension, als der Oberste Gerichtshof entschied, daß Geld, welches für die Wahl von Kandidaten und für die Förderung von privaten und kommerziellen Interessen in Washington ausgegeben wird, eine Form der verfassungsmäßig geschützten Meinungsäußerung darstellt. Dadurch wurde eine repräsentative Republik umgewandelt in eine Plutokratie.«