Jürgen Todenhöfer war Politiker und ist heute Medienmanager. Interessanterweise werden heute vor allem „pensionierte Politiker“ in der Debatte um die Globalisierung aktiv. Heiner Geissler, Helmut Schmidt und Jürgen Todenhöfer wollen alle nichts mehr in der Politik werden und sind daher frei für eine schonungslose Abrechnung. Das erinnert an ein Bonmot von Bernhard Shaw: „Man hüte sich vor alten Männern, die haben nichts mehr zu verlieren“. Die Kritik am globalen Kapitalismus ist längst eine nüchterne Systemkritik. Es gibt also keine Verschwörung oder gar „Bösewichte“, die den Vorgang steuern.
Der Kapitalismus zeigt sich als ein dynamischer Vorgang, der sich menschlicher Kontrolle zunehmend entzieht. Der Kapitalismus beschreibt sich als alternativlos und rechtfertigt dadurch seine Totalität. Kapital, Technik, Nihilismus sind die bestimmenden Faktoren einer geschichtlichen Gleichung, deren Ergebnis heute alltäglicher Hunger, Tod und Elend ist. Der Humanismus hat für dieses Phänomen keine wirklich überzeugende Antwort und wird dann zum Nihilismus, wenn er in rein materialistischer Weltsicht „keine Alternative mehr zu seinem Handeln erkennt, noch zugestehen kann“. Die Kernfrage an die Politik ist: Wie kann man den globalen Kapitalismus beschränken und hegen?
Für mich war immer entscheidend, ob der Islam etwas zu diesem Thema zu sagen hat. Aber was? Paradoxerweise ist der „politische Islam“ in allen seinen Erscheinungsformen hierzu recht zurückhaltend. Schaikh-Abdalqadir As-Sufi hat dies einmal bezüglich der extremsten Form des politischen Islam, dem Terrorismus, so formuliert: „Alles was Bin Ladin getan hat, hat er mit Dollars getan“. Im Kern muss man heute die islamische Lehre auf die ökonomischen Bezüge des Islam befragen. Hier liegt die eigentliche Relevanz des Islam – aber auch das Problem. Denn gerade in diesem Bereich findet man kaum gebildete Muslime und wenige Muslime, die überhaupt den modernen Wesenswandel von Politik und Ökonomie nachvollziehen.
Zurück zu Jürgen Todenhöfer. Todenhöfer gehört nicht zu denjenigen, die sich in eine „Alles wird gut“-Esoterik retten. Man spürt, dass er aus einem persönlichen Erfahrungshorizont spricht. Bei Sabine Christiansen wird er so zitiert:
„Es gibt kaum jemanden im Irak, der diesen Saddam nicht gehasst hätte, aber es gibt heute kaum jemanden, der die Besatzungstruppen nicht hasst. Die USA geben in diesem Jahr 480 Milliarden Dollar für Rüstung aus und drei Prozent dieses Geldes, knapp 16 Milliarden, für Entwicklungshilfe. Das ist der Fehler der USA. Dieser Krieg war eine totale Katastrophe. Und wenn die USA hundert Milliarden, die dieser Krieg gegen den Irak bisher gekostet hatte, in arabische Entwicklungsprojekte gesteckt hätte, dann hätten wir im Kampf gegen den Terrorismus Tausend mal mehr erreicht als mit diesem schrecklichen Krieg gegen den Irak.“
„Saddam Hussein war wirklich eine Tragödie für dieses Land. Saddam Hussein war eine Kreatur des Westens – nicht nur der Amerikaner, auch von uns. Wir haben ihn gestützt gegen Khomeini. Wir haben diesen Mann aufgebaut und mit Waffen gestützt gegen den Iran.“
„Saddam Hussein hat dieses Land in der Tat ruiniert, aber das, was nicht kaputt war, das haben die Koalitionsstreitkräfte jetzt kaputt gemacht. Und das, was an Hoffnung noch da war bei den Menschen, ist jetzt kaputt gegangen.“
„Der Terrorismus ist eine Folge dieser ungerechten Welt. Wir müssen diesen Terrorismus hart, mit kühlem Kopf bekämpfen, aber wir müssen auf der anderen Seite schauen, dass wir eine gerechte Politik machen, dass eben nicht nur finanzielle Interessen eine Rolle spielen wie Öl im Irak, sondern auch Gerechtigkeit. Gerechtigkeit erwarten die Menschen in den muslimischen Ländern, beispielsweise im Palästinakonflikt. Die erwarten eine faire Lösung für die Palästinenser, aber auch fair für die Israelis.“
„Die Menschen in den arabischen Ländern haben den Eindruck, dass sie als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Der erste Schritt, den wir den arabischen Völkern zeigen müssen, ist, dass wir deutlich machen, dass für uns ein Muslim, ein Buddhist, ein Hindu genauso viel Wert ist wie ein westlicher Christ. Das ist das wichtigste Signal, das wir aussenden müssen.“
„Jeden Tag verhungern 20.000 Kinder unter 5 Jahren auf der Welt und kein Politiker des Westens schreit auf. Das ist ein Anschlag auf unsere Zivilisation. Solange wir das nicht ändern, wird uns die Dritte Welt um die Ohren fliegen und der Terrorismus wird nicht aufhören.“
„Die Frage, die wir uns wirklich stellen müssen ist, gibt es nicht andere Strategien als Kriege? Kann man den Völkern der Welt Demokratie in den Rachen stopfen oder muss man nicht Demokratie vorleben?“
„Ich glaube, die Unternehmen haben eine ähnlich große Verantwortung wie die Politiker. Sie dürfen sich auch um diese Verantwortung nicht drücken.“
„Die Globalisierung hat dann einen Vorteil, wenn wir Industrieländer unsere Grenzen für die Waren der Entwicklungsländer öffnen. Das ist ein ganz zentraler Punkt.“
„Sie würden ein wunderbares Zeichen setzen, wenn die USA statt Rüstung mehr für Entwicklungspolitik machen würden.“