Das Internet ist heute noch ein Ort der Freiheit. Es kann helfen, unabhängige Informationen zu verbreiten und gibt auch kleinen alternativen Medien einen Ort. Unabhängige und freie Medien dürfen aber niemals selbst Partei sein. Denn jede Parteilichkeit ist immer auch subjektiv, denkfeindlich und in sich despotisch. Und auch freie Medien können schrittweise übernommen werden.
Es wäre aber ein Pyrrhussieg für eine Bewegung, die gegen das Meinungsmonopol vorgehen will und eine faire Debatte unterschiedlicher Positionen fördert, wenn im weiteren Verlauf nur eine Parteilichkeit gegen eine andere ausgetauscht wird. Hier genau liegt auch das Problem einer überzeugenden Ukraineberichterstattung.
Unparteiische Berichterstattung greift Widersprüche auf, zeigt die Politik der Einmischung von Ost und West auf, erklärt die Machenschaften der NATO, der Oligarchen und pocht schlussendlich auf die Idee von Prinzipien, die künftig für alle gelten sollen. «Wir sind besser, weil sie noch schlechter sind» taugt dabei weder als politische Philosophie eines neuen Nomos, noch als Maxime neuer Medien.
Endgültig aufpassen gilt es, wenn in einer geradezu abenteuerlichen Logik versucht wird, die kreative Energie der Banken-kritischen oder NATO-kritischen Postionen in eine neue Parteilichkeit – wenn auch unter anderen Vorzeichen – zu integrieren. Um es klar zu sagen: Wer gegen die Expansionspläne der NATO, für Frieden und für eine andere Wirtschaftspolitik ist, muss natürlich noch lange nicht für Putin sein.
Nötig ist vielmehr eine nüchterne Position, die weder für noch gegen Putin ist, sondern fair. Nur aus dieser Gelassenheit heraus kann man dem öden, weithin verbreiteten Geist des «Die Partei hat immer Recht» entrinnen. Nur so ist ein Medium auch auf Dauer eine Alternative. Ein blinder Hurra-Putinismus verbietet sich jedenfalls aus gleich mehreren Gründen. Nur ein paar Gesichtspunkte seien hier angerissen und zur Diskussion gestellt:
Es ist ja löblich, wenn Russland sich für freie Volksabstimmungen zur Selbstbestimmung von Regionen einsetzt. Es ist aber zynisch, wenn sie dies nur tut, wenn die Bewegung «heim ins Reich» will, es aber brutal verhindert, wenn andere Landesteile von Moskau unabhängig werden wollen. Mann kann sich auch vorstellen, was in ganz Europa los wäre, wenn künftig alle Volksgruppen in souveräne Staaten Polizeibehörden besetzen und Chaos verbreiten würden.
Lange Zeit war es ein nachvollziehbares Prinzip, auf die Nichteinmischung Dritter in die inneren Angelegenheiten von Staaten zu pochen. Es ist klar: In Zeiten von Internet und finanzkräftigen Stiftungen ist dieses Prinzip nicht einfach zu halten. Es ist auch mehr als naiv zu glauben, es gäbe im Osten keine russische Variante der NSA oder gar zu behaupten, die Geheimdienste Russlands würden ohne «False Flag»-Aktionen und nur an der Wolga agieren. Militärisch haben die USA und natürlich auch Russland dieses Prinzip der Nichteinmischung immer wieder gebrochen und stehen sich heute nun mit dem wenig begeisternden – aber kaum Legitimität spendenden – Motto gegenüber: «Ihr seid noch schlimmer als wir!»
Bedenklich ist auch, wenn nun einige Propagandisten sogar eine Art «Großraumpolitik» Russlands im Interesse des angeblich verfolgten russischen Volkes befürworten und den alten Glauben an den souveränen Nationalstaat, der aus mehr als nur einer Volksgruppe – zum Beispiel auch aus ehemaligen Immigranten – besteht, im Grunde damit zu Grabe tragen. Großraumpolitik und -ambitonen sind immer auch Folgen einer Ideologie.
Natürlich gibt es üble Tendenzen im Westen, die Politik Wladimir Putins zu dämonisieren. Das muss ein unabhängiges Medium natürlich ablehnen und im Rahmen seiner Möglichkeiten auch entgegenwirken. Aber auch ganz ohne Dämonen muss man noch sehen können, dass das System Putin keine große Visionen in sich birgt. Als System steht es den USA nicht etwa als Alternative gegenüber. Der russische Leviathan hat eine banale Seite: Er besteht aus zentralisierten Medien, aus Oligarchen, aus Zentralbanken und einer Geheimpolizei.