„Gegenüber dieser Verwirrung lehrt uns das Maß, dass jede Moral einen Teil Wirklichkeit enthalten muss: Die reine Tugend ist mörderisch, und das jeder Realismus einen Teil Moral braucht: Der Zynismus ist auch mörderisch. Deshalb ist das humanitäre Geschwafel nicht begründeter als die zynische Provokation.“ Albert Camus (Der Mensch in der Revolte)
Es gibt in der politischen Terminologie Begriffe, die, weil sie Volltreffer sind, sich durchsetzen. In der aktuellen Ausgabe des „Guardian“ definiert Slavoj Zizek den Begriff des „militärischen Humanismus“. In Frankreich ist diese neue Kombination, so zumindest Zizek, durch das Doppelpaaar Kouchner (Humanismus) und Sarkozy (militärischer Komplex) symbolisiert. TP merkt in einem interessanten aktuellen Beitrag spitz über Kouchner – dem „Vater der Menschenrechtskriege“ – an, er habe „ George W. Bush nur 2003 nur übelgenommen, die Kriegsgründe so dilettantisch ausgewählt zu haben, statt einfach die Menschenrechte in Anschlag zu bringen.“
Zizek beschreibt das Wirken der Doppelspitze im Guardian:
„Als der neu gewählte französische Präsident, Nicolas Sarkozy, Kouchner, den Großen Humanisten, zur Spitze des Quai d’Orsay ernannte, wurde dies sogar von Kritikern Sarkozkys als eine angenehme Überraschung gefeiert. Nun wird die Bedeutung dieser Ernennung klar: die Wiederkehr der Ideologie des „militärischen Humanismus“. Das Problem mit dem militärischen Humanismus liegt nicht in „militärisch“, sondern in „Humanismus“. Gemäß dieser Doktrin verkleidet sich militärische Intervention als humanitäre Rettung, gerechtfertigt durch die entpolitisierten, universellen Menschenrechte, sodass jeder, der sich ihr gegenüberstellt, sich nicht nur im bewaffneten Konflikt auf die Seite des Feindes stellt, sondern die zivilisierte Staatengemeinschaft verrät.“
Zizek spielt theoretisch auf Carl Schmitt an, der in seinem Buch Der diskriminierende Kriegsbegriff das alte europäische Kriegsrecht in Auflösung begriffen sah. Dieses Recht hatte wie bei einem „Duell“ zwischen Kriegsparteien Regeln etabliert, Krieg und Frieden definiert und Dritten die Möglichkeit der „Neutralität“ eingeräumt. Heute sieht Zizek die neuen Kriege im Dienste des globalen Humanismus, im Namen des „wir alle“, als in Folge und Wirkung „ungehegt“ an. Balancierende, neutrale Elemente, wie das „Rote Kreuz“, sind daher im Rückzug.
Schwer zu denken ist für Europa, wenn ein neuer Kriegsherr mit der „license to kill“, beispielsweise die Türkei, sich ähnliche Rechte herausnimmt und ebenfalls für „universale Werte“, für die Sicherheit und gegen den Terrorismus zu Felde zieht. Die Türkei-Frage spiegelt für Zizek die eigene Identitätskrise Europas wieder, seine Suche nach der „Herrschaft des Rechts“ und „eigenständiger Kultur“, seine Unsicherheit zwischen „Wirtschafts-“ und „Kulturraum“.