Hohe Kirchenvertreter haben am Wochenende den Niedergang des Christentums in Deutschland mit verheerenden Folgen für den bisherigen Wertekonsens in der Gesellschaft beklagt. «Deutschland und Europa sind neu Missionsland geworden», sagte der römische Kurienkardinal Walter Kasper am Sonntag in Fulda bei einem Pontifikalamt auf dem Domplatz vor rund 25 000 Gläubigen. Am Vortag hatte bereits der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann betont, die Folgen eines «modernen Verdunstungsprozesses des christlichen Glaubens» seien mehr und mehr zu spüren sein. Viele Erkenntnisse und Wahrheiten des christlichen Glaubens seien fremd geworden.
Dann wurde es offensiv: Beide Kardinäle riefen die Gläubigen zu einer neuen Christianisierung auf. Da gibt es viel zu tun, denn nicht nur in Ostdeutschland sind die Kirchen vergleichsweise leer. Bisher ist die missionierende Kirche vorallem auf dem Balkan aktiv, in Albanien wird mit viel Geld der „christliche Glaube“ verbreitet.
Lehmann warnte vor einem einem «Neuheidentum». «Es gibt manchmal Züge eines nachchristlichen Neuheidentums», wie man es sich früher nicht habe vorstellen können, sagte der Mainzer Bischof. Diskussionen über einen fehlenden Wertekonsens in Politik und Gesellschaft hätten ihre Ursache im Schwund einer gemeinsamen kulturellen Überzeugung. Es sei notwendig, die «elementare missionarische Dimension des christlichen Glaubens» neu zu entdecken.
Anlass für die Kirchen war der 1250. Todestag des heiligen Bonifatius (672-754), der mit seiner Missionsarbeit das Christentum im 8. Jahrhundert in Germanien entscheidend verbreitete. Bonifatius – so die Kirche – habe sich gegen heidnische Götter gewandt. Heute gelte es, so beispielsweise Lehmann, «den modernen Götzen zu widersagen: Geld, Sex, Mode, Karriere». Der als Winfrid in Südengland geborene Bonifatius gilt als Wegbereiter des Christentums in Deutschland und Europa. Der Papst hatte ihn mit der Mission der Heiden in Germanien beauftragt. Heidnische Friesen erdolchten ihn am 5. Juni 754 bei einem Überfall in Dokkum in den heutigen Niederlanden.