Ohne den geringsten Respekt für die Privatsphäre, Wir leben nicht mehr in Zeiten, wo man seine Privatsphäre mit dem Hochholen der Zugbrücke sichern konnte. „My home is my castle“ – dieser Grundsatz gilt schon lange nicht mehr. Moderne Technik ermöglicht Sicherheitsbehörden eine beinahe umfassende Überwachung des Einzelnen. Die diversen Überwachungstechniken entwickeln sich stetig weiter und schaffen im Kampf gegen Extremisten, Verbrecher und Steuersünder eine neue gesellschaftliche Realität. Die gesetzlichen Vorschriften sollen, zumindest theoretisch, die fließenden Grenzen staatlicher Befugnisse definieren.
Wie schwierig das ist geht aus einem am Freitag veröffentlichten Prüfungsbericht des zuständigen Generalinspekteurs des amerikanischen Justizministeriums hervor, dem das FBI unterstellt ist. Dem Prüfungsreport zufolge stellte sich bei Stichproben heraus, dass das FBI in den vergangenen drei Jahren etwa 20 Prozent der Fälle, in denen Unterlagen angefordert worden waren, in vorgeschriebenen Berichten an den US-Kongress nicht auflistete. Die FBI-Anforderungen bezogen sich auf Telefonate, E-Mails und Geldtransaktionen. Zudem wiesen die Anträge auf Informationen etwa an Telefongesellschaften und Banken in 48 von 293 untersuchten Fällen Fehler und falsche Darstellungen auf. So seien beispielsweise mehrmals Anträge auf Herausgabe der persönlichen Daten mit „dringlichen Umständen“ begründet worden, die aber gar nicht existiert hätten.
Die These, dass modernen Staaten eine stete Entwicklung zum totalen Staat innewohnen könnte, wird seit Orwells – aus damaliger Sicht „„Science-Fiction““, 1984 heftig diskutiert. Die Realität der totalen Überwachung in unseren Hightech-Staaten hat dabei die Vorstellungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts natürlich schon lange überholt. Was Finanzämter und Banken, Mautanlagen und GEZ, Kreditkartenunternehmen, Telefon- sowie Internetunternehmen auch bei uns an Bespitzelung möglich machen, übertrifft Orwells Phantasien mühelos. Während des Kalten Krieges wurde der berühmte Roman im Westen als nützliche Kritik am Realsozialismus bzw. Stalinismus aufgefasst und so auch im Bildungswesen vermittelt. Heute wird der Klassiker kaum noch gelesen und es wird auch nicht berücksichtigt, dass Orwell in seinem Roman scharfe Kritik am Kapitalismus äußert und ihn in seiner Fiktion als Vorbedingung für den geschilderten totalitären Staat begreift.
„„er Freiheiten aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.“ Dieser bekannte Grundsatz von Benjamin Franklin (1706-90)scheint in den USA dieser Tage in Vergessenheit zu geraten. Die Demokratische Partei übte jedenfalls scharfe Kritik am Vorgehen des FBI. Die US-Regierung habe ihre weit reichenden Vollmachten bei der Terrorbekämpfung offenbar genutzt, „ohne den geringsten Respekt für die Privatsphäre unschuldiger Amerikaner zu zeigen“, sagte der demokratische Senator Dick Durbin. Die Untersuchung des Justizministeriums bestätige „die schlimmsten Befürchtungen über den Patriot Act“. Der Patriot Act ist ein Gesetzespaket, mit dem der US-Kongress der Regierung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erweiterte Vollmachten bei der Terrorbekämpfung einräumte. Darin enthalten ist auch die Regelung, die jüngsten Erkenntnissen zufolge missbräuchlich vom FBI angewendet wurde: Dabei geht es um so genannte „national security letters“, mit denen die Ermittlungsbehörden persönliche Daten über Bürger etwa bei Banken und Telefonunternehmen einholen können.
Vor Verabschiedung des Patriot Act durften solche Daten nur abgefragt werden, wenn die Ermittler glaubhaft den Terrorverdacht darlegen konnten. Diese Bestimmung wurde gestrichen. Die Behörden müssen nun nur noch darauf verweisen, dass sie im Zuge einer autorisierten Ermittlung vorgehen, und sie müssen ihr Vorgehen genau dokumentieren. Gegen diese Bestimmungen hat das FBI der Untersuchung zufolge in mindestens 22 Fällen verstoßen. Nach Informationen der Washington Post stellte die Bundespolizei allein im Jahr 2005 mehr als 19.000 solcher „national security letters“.