Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Päpstliches

[…] Religion ist etwas unendlich Einfaches, Einfältiges. Es ist keine Kenntnis, kein Inhalt des Gefühls […], es ist keine Pflicht und kein Verzicht, es ist keine Einschränkung: sondern in der vollkommenen Weite des Weltalls ist es: eine Richtung des Herzens. […] Daß der Araber zu gewissen Stunden sich gegen Osten kehrt und sich niederwirft, das ist Religion. Es ist kaum „Glauben“ . Es hat kein Gegenteil. Es ist ein natürliches Bewegtwerden innerhalb eines Daseins, durch das dreimal täglich der Wind Gottes streicht, indem wir mindestens dies: biegsam sind […] Rainer Maria Rilke

Die Vernunftkritik des Papstes am Islam ist weniger ein Grund zur Aufregung, als eher eine tragische Selbstreflexion. In Europa hat eigentlich die der Vernunft verpflichteten Philosophie der letzten Jahrhunderte kaum eine Säule des Christentums nicht umgestoßen. Insbesondere die intellektfeindliche Trinitätslehre hat die europäische Philosophie nicht denken können. Nietzsche formuliert es gewohnt krass. Europa habe zwei Probleme: Alkohol und Christentum. Ich erinnere mich noch an ein Interview mit dem Bischof von Köln, anlässlich des Papstbesuches, als dieser dem staunenden (erwachsenen) Publikum mitteilte, es seien zwei Päpste anwesend. Man wurde dann belehrt, einer der Päpste würde aus dem Himmel heraus zuschauen. Vernunft klingt irgendwie anders.

Auf mich wirkt das Christentum wie gute, etwas ins Alter gekommene Verwandtschaft. Man respektiert sich, vermisst aber relevante Aussagen zur aktuellen Situation im „Jammertal“ Erde. Intellektuell finde ich – offen gestanden – den Dialog mit Menschen, die weder an Gott noch an den Kapitalismus glauben, zumeist spannender. Die oberste Repräsentanz aus Rom hat in diesen Tagen ja nicht ganz zufällig dem, was der Islam wirklich neu bringt, nämlich eine Gesetzlichkeit, die die ökonomische Macht begrenzt, völlig ignorant gegenüber gestanden. Wie man den Tanz mit der Macht und die Aufgabe aller Gläubigen, den dynamischen Kapitalismus zu bändigen verbinden könnte, hört man nicht.

Die allzeit gewohnte Harmonie der Kirche mit der weltlichen Macht beschrieb Peter Sloterdijk in einem Interview mit dem Tagesspiegel im Juli 2005:

„Ratzinger wäre falsch interpretiert, wenn man ihn als Antidemokraten beschriebe. Er plädiert für eine christliche Demokratie. Ich würde das übersetzen in ein Theorem, an dem ich seit längerer Zeit arbeite: Was uns demnach bevorsteht, ist die globale Wende in den „autoritären Kapitalismus“ – und zwar auf der Grundlage eines neo-autoritären WerteDenkens. Ratzingers Visionen lassen sich mühelos in einen solchen Kontext einordnen. Das 21. Jahrhundert wird zum Labor des Neu-Autoritarismus, das heißt des Kapitalismus, der die Demokratie nicht mehr nötig hat.“

In Bayern wirkt dann die Mischung aus Politik, Business (besonders gerne mit der „islamistischen“ Welt) und christlich-bayrischer Folklore dementsprechend abgehoben. Der bayrischen Unionspartei gelingt so mit Hilfe des Papstes der Spagat zwischen knallharter Globalisierung nach außen und innerer christlich-konservativer, aus der Gegnerschaft mit dem Islam gewonnener, Identität. Der Papst arbeitet nebenbei, sozusagen auf höchster politischer Ebene, an der Verfestigung der grundgesetzwidrigen Bevorteilung des Christentums in Deutschland.