Ein ungleiches, aber vertrautes Paar waren sie schon immer. Nun war es auch kein gewöhnliches Abendessen, das die Köche im Istanbuler Grand Cevahir Hotel am Mittwoch für den Ehrengast Gerhard Schröder und seinen türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan „zum Abschied“ vorbereiteten. Auch wenn das Menü aus Linsensuppe, Pasteten und Lammbraten die „historische Dimension“ des Ereignisses nicht ohne weiteres erahnen ließ. „Erstmals lädt ein türkischer Ministerpräsident den Regierungschef eines christlichen Landes zum Iftar ein», hatten türkische Zeitungen schon Tage vorher verkündet. Leicht romantisierend hieß es: „Zusammen lauschen sie dem Gebetsruf des Muezzins, es gibt Oliven, Datteln und all die anderen Rituale; Szenen, die für Europa ganz neu sind.“ Wohl wahr: Für Schröder sind religiöse Rituale bisher eher geistiges Neuland gewesen.
Kein Zweifel, Schröder ist ein Freund der Türkei geworden. Sein Umgang mit der islamischen Tradition des Landes wirkte stets souverän. Sicher, ein Dankeschön an den scheidenden, der Türkei stets in EU-Treue verbundenen Kanzler sollte die Einladung dann auch sein. Eine Kanzlerin Merkel ist den Türken und der konservativen AK-Partei nach wie vor eher suspekt. „Nach dem Duo Gerhard Schröder/Joschka Fischer werden wir uns noch lange zurücksehnen“, schrieb am Mittwoch das türkische Massenblatt «Sabah». Andere Kommentatoren hoben jedoch vor allem die symbolische Bedeutung des gemeinsamen Fastenbrechens hervor. Schröder werde es in Istanbul vergönnt sein, ein Zeichen für das Europa der Zukunft zu setzen, den Europäern gewissermaßen einen Vorgeschmack auf eine, um die Türkei erweiterte Europäische Union zu geben.
„Ganz gewiss werden diese Bilder dazu beitragen, die in den vergangenen 20 Jahren gewachsenen Mauern zwischen der christlichen und islamischen Welt zum Einsturz zu bringen“, begeisterte sich Ertugrul Özkök, Chefredakteur der auflagenstärksten türkischen Zeitung „Hürriyet“. Er wagte die Prophezeiung, dass die jetzt begonnenen Verhandlungen über einen EU- Beitritt der Türkei eines Tages als ein ebenso wichtiges historisches Datum angesehen würden „wie der Fall der Berliner Mauer“.
Der Berliner Gast, der die Türkei am Mittwoch zum dritten Mal besuchte, hatte auch diesmal Schmeicheleinheiten für die Gastgeber im Gepäck. Besonders angetan zeigte er sich in seinem vorab verteilten Redetext über die Klänge der neunten Symphonie von Beethoven im musikalischen Rahmenprogramm. „Es gibt wohl kein eindrucksvolleres und bekannteres musikalisches Zeugnis für unsere kulturelle Verbundenheit als der hörbare Einfluss türkischer Musik in dieser europäischen Hymne.“