Wem hilft bin Ladin? Nun sicher nicht der islamischen Welt oder den Muslimen. In Amerika wird diskutiert wem der Bösewicht und seine intellektuell sehr schlichte Rede zur US-Wahl zur Hilfe kommt. Die Auswirkungen der neuen Drohungen von Osama bin Laden auf die Wahlen in den USA kommentiert beispielsweise die römische Zeitung «La Repubblica» am Sonntag:
«Das Gesicht von Osama bin Laden hängt schwer über Bush und Kerry und über der Ehre einer großen Demokratie unter Schock. Es frisst das bisschen Zeit auf, das noch bleibt, fegt die alltäglichen und andauernden Gemetzel in Bagdad weg, die Fehler des Krieges, die Skandale, die Impfstoffe, die sich nicht finden lassen, die Arbeitslosigkeit; es löscht jede andere Nachricht aus und richtet den Blick der Nation wieder dahin, wo Bush ihn immer hatte hinrichten wollen, auf den 11. September 2001. Die Rechte, die langsam Angst bekam, feiert jetzt ausgelassen, damit diese Gelegenheit genutzt wird, damit Bush ausruft: „Osama will Kerry, also müssen wir das Gegenteil wollen (…).“»
Insbesondere die religiöse Rhetorik und die Einteilung der politischen Welt in Gut und Böse hat in der Politik immer wieder Tradition. In der amerikanischen Politik spielen Feindbilder im Inneren und Äußeren eine noch viel größere Rolle als derzeit bei uns in Deutschland. Warum das so ist erklärt Prof. Herz im Interview mit der Süddeutschen Zeitung so:
„Schon einfach deshalb, weil Feindbilder auch positive Auswirkungen haben können: Sie helfen zum Beispiel, eine Gemeinschaft zu bilden und zu festigen. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung ist zu großen Teilen ganz explizit gegen George III. von England geschrieben worden. Dieses Feindbild wirkt bis in die populäre Kultur der Gegenwart: Es gibt Countrysongs von Johnny Cash, in denen er auf George III. schimpft. Und auch sonst wimmelte es in der amerikanischen Politik immer von Feindbildern: die Mexikaner, die Sklavenstaaten des Südens gegen die Yankees, die Nazis, später der Kommunismus, heute ist es der politische Islam. Immer diente den Mächtigen ein Feindbild dazu, die Nation zusammenzuführen und eine oft unpopuläre Politik durchzusetzen.“